Retro Classic 2024

“Wie ein fast unscheinbarer Opel Ascona meine Erinnerungen an die glorreichen Rallyezeiten weckte!!!”

Spontan fuhr ich kurz vor Weihnachten zusammen mit Reinhold und Dave Reisinger zur Retro Classics Bavaria nach Nürnberg. Der Veranstalter hatte heuer als Sonderausstellungen “40 Jahre DTM” und “125 Jahre Opel” angekündigt. So erwartete ich vor allem viele tolle Renntourenwagen aus der inzwischen langen Geschichte der Deutschen Tourenwagen Meisterschaft. Der sehr allgemeine Programmpunkt Opel weckte – zumindest bei mir – eher keine großen Erwartungen. Doch schon in der ersten Halle überraschte mich die Rüsselsheimer Autoschmiede positiv. Dort stand neben dem Nachbau des schwarzen Raketenwagens aus den frühen 30er-Jahren ein Rallye-Kadett C des holländischen Opel-Importeurs. Aufgrund des makellosen optischen Zustandes dachte ich mir: “Sehr wahrscheinlich eine sogenannte Replika”. Augenscheinlich wurde das Fahrzeug beim Eifel Rallye Festival 2024 eingesetzt. Eine spätere Recherche ergab, dass es sich um ein Ex-Werksauto handelte mit dem 1980 die niederländische Meisterschaft gewonnen wurde. Sein neuer Besitzer hat diesen Kadett sicherlich mit sehr viel Mühe in seinen Auslieferungszustand “zurückversetzt” und damit leider auch aller seiner Kampfspuren beraubt. Das finde ich persönlich sogar etwas schade, aber dazu später mehr. Dieser Kadett weckte bei mir die Erinnerungen an die “wilden Rallyezeiten” Ende der 70 er-Jahre. Als noch ohne Allrad gefahren wurde und der Spruch: “Ist die Strecke richtig schwer, fährt man am schnellsten quer” bei vielen Fahrern Gültigkeit hatte und manches Fahrgenie fehlende Pferdestärken noch mit Mut und etwas Wahnsinn kompensieren konnte.

In der Halle 2 stachen mir zwei Exponate ganz besonders ins Auge. Zuerst ein Ford Fiesta XR2, der anscheinend nach seiner Zeit im Ford-Ladies-Cup im Deutschen Mobil-Slalom-Cup eingesetzt wurde und zwar schön da stand, aber auch seine Kampfspuren stolz zeigte. Das gefällt mir persönlich deutlich besser als perfekt restaurierte Oldtimer. Das zweite “Glanzstück” sprach mich als Motorradfahrer ganz besonders an. Es wurde eine Yamaha TZ 750 zum Verkauf angeboten. Dieser Production-Racer war zu seiner Zeit das Schnellste was ein Privatfahrer kaufen konnte. Diese “Zweitaktrakete” wurde gut 250 mal gebaut. Ich erinnerte mich an den Salzburgring Mitte der 70er, als meine Helden – wie Giacomo Agostini, Johnny Cecotto, Steve Baker, Gregg Hansford usw. – dieses Bike mit dem Spitznamen “The Beast” um die Strecke prügelten.

Dann ging es in die dritte und auch letzte Halle. Das Erste, das mir dort auffiel, war ein Autobianchi A112. Dieses italienische Fahrzeug war “das” kleine, aber sehr giftige Berg- und Slalomauto der 70er und 80er. Im Anschluss kamen die frühen DTM-Boliden vom Schlage eines BMW 635, Audi V8, BMW M3 oder Opel Kadett E. Danach wuchsen den Fahrzeugen immer mehr Flügel, sprich die “Spoilergeneration” der DTM war zu sehen. Viele tolle Fahrzeuge aus dem Rundstreckenbereich waren dort ausgestellt. Hier traf ich dann zufällig unseren “Bergkönig” Rudolf Omischl mit seiner Gisa. Er begutachtete – wie nicht anders zu erwarten – einen Audi V8 DTM ganz genau.

Als nächstes fiel mein Blick auf einige wunderschöne und sehr seltene “Abarths” aus dem Hause Aumüller und dann entdeckte ich den offiziellen “Opel-Rallye-Bereich”. Zuerst sah ich einen gelben Ascona A und dachte mir: “Mit so einem Ascona ist Walter Röhrl doch 1974 Europameister geworden”. Daneben stand ein optisch “fabrikneuer” Manta 400 in der Gruppe B-Version. Und dann entdeckte ich mein persönliches “Highlight”: Einen Ascona i2000 im fast unscheinbaren Gruppe2-Rallyetrimm. Auf den Türen standen – wie damals üblich – die Namen der “Besatzung”. Es war “Jochi Kleint und Gunter Wanger” zu sehen – genau, “unser Gunter”, der immer noch regelmäßig mit seinem alten Chevy Pick-Up an unserer Tour de Neuburg teilnimmt. Auf einer Tafel standen die “Eckdaten” dieses Fahrzeuges und es war auch zu lesen: “Das Originalfahrzeug von Opel Classic präsentiert sich nahezu so wie es nach dem EM-Titelgewinn abgestellt wurde”. Das weckte mein Interesse endgültig. Ich erkundigte mich beim “Standsheriff” ob das wirklich das 79er EM-Auto ist und der bestätigt das ohne zu zögern. Ich fragte, ob ich einen Blick ins Innere werfen dürfte. Fast schon ehrfürchtig öffnete ich dann die Türe zu “Gunters Arbeitsplatz” und sofort spürte ich die glorreiche Vergangenheit dieses Prachtstückes. Überrollkäfig von Matter, Sportlenkrad ohne irgendwelche Schalter und Tasten, carbonfreie Schalensitze, massive Hosenträgergurte, analoger Tripmaster, offene Sicherungen, innenliegende Leitungen und eine einfache Unterlagenmappe für den Beifahrer. Alles authentisch und mit den Gebrauchsspuren der Saison 1979. Ich dachte nur: “Wahnsinn, genau so muss ein altes Rallyeauto aussehen, um seine Geschichte ehrlich zu erzählen”. Stolz trägt diese “Motorsportlegende” auch seine Spuren aus dem erfolgreichen Kampf um die EM-Krone an der Karosserie. Die teils sehr übermächtige Konkurrenz aus ganz Europa – z.B. die bildhübschen und pfeilschnellen Rallye-Ikonen Namens Lancia Stratos HF, die bärenstarken, heckgetriebenen 911er aus dem Hause Porsche, die unzähligen Ford Escorts in der heißen RS-Version, der von Abarth perfekt hochgezüchtete Fiat 131 und, man glaubt es kaum, sogar ein Ferrari 308 – hatte damals keine Chance gegen Jochi Kleint, Gunter Wanger und diesen ganz besonderen Opel Ascona B.

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